Rede
20.11.2025
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleg:innen, liebe Würzburger:innen,
der diesjährige Haushalt ist in vielerlei Hinsicht ein besonderer. Die Ausgangslage ist so
angespannt wie lange nicht, unsere finanziellen Spielräume sind äußerst begrenzt.
Nichtsdestotrotz hat die Kämmerei einen Haushaltsentwurf vorgelegt, in dem sich sowohl die
Referent:innen als auch die große Mehrheit des Stadtrats wiederfinden. Ein Haushalt, der sich
innerhalb des finanziell Möglichen bewegt, aber auch die politischen Entscheidungen des
Stadtrats respektiert. Dafür will ich im Namen meiner Fraktion Frau Gross und ihrem Team
unseren ausdrücklichen Dank aussprechen.
Und ich möchte mich auch bei den anderen Fraktionen bedanken, die sich gemeinsam an den
Tisch gesetzt haben - mit unterschiedlichen Perspektiven, aber mit einem gemeinsamen Ziel:
dass Würzburg handlungsfähig bleibt. Ich denke, wir haben damit auch ein wichtiges Zeichen in
die Bevölkerung gesendet: trotz einem bevorstehenden Kommunalwahlkampf stellen wir unsere
parteipolitischen Unterschiede hinten an und konzentrieren uns auf das Wesentliche, nämlich die
Verantwortung für unsere Stadt. Das ist gelebte Demokratie!
Immer wieder haben wir es in den letzten Wochen gehört: überall in Bayern geraten Kommunen
an ihre finanziellen Grenzen, da ist Würzburg leider keine Ausnahme. Wir erleben die
Konsequenzen von strukturellen Entwicklungen; immer mehr Aufgaben werden an die Kommunen
übertragen, während eine adäquate Finanzierung ausbleibt. Deshalb ist es unausweichlich, dass
wir heute einen sparsamen Haushalt beschließen, aber für die Zukunft braucht es politische
Reformen vom Freistaat und vom Bund. Denn letztendlich können wir die großen
gesellschaftspolitischen Aufgaben nur lösen, wenn die Kommunen finanziellen Spielraum haben,
um vor Ort die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. Klimaschutz, gesellschaftliche Teilhabe,
soziale Versorgung: überall sind die Kommunen gefragt.
Insofern ist unsere heutige Zustimmung zum vorgelegten Haushaltsentwurf natürlich ein
Kompromiss und es liegt in der Natur eines Kompromisshaushalts, dass wir mancherorts eine
ausreichende Finanzierung vermissen. Der Radwegepool wurde z.B. auf ein Drittel des Vorjahres
gekürzt, die Mittel für kurzfristige Energieeinsparmaßnahmen um die Hälfte reduziert, der
Ankaufsetat des Kulturspeichers auf Null gesetzt. Und auch an anderen Stellen würden wir Grüne
uns sicherlich mehr Geld wünschen. Aber ich möchte in der Haushaltsrede nicht darüber
sprechen, was anders sein könnte, sondern darüber, was 2026 alles möglich sein wird.
Soziale Teilhabe
Denn auch wenn es in diesem Jahr keine eigenen Haushaltsanträge gibt, ist der Haushalt das
Ergebnis intensiver politischer Debatten der vergangenen Jahre. Vieles, wofür sich unsere Fraktion
immer stark gemacht hat, ist in diesem Haushaltsentwurf enthalten. Unsere oberste Priorität
bleibt, die soziale Teilhabe aller Menschen zu sichern. Gerade in Zeiten wirtschaftlicher
Unsicherheit leiden diejenigen am meisten, die ohnehin nur wenig Ressourcen haben. Deshalb ist
es wichtig, dass wir soziale Einrichtungen wie die Bahnhofsmission oder die Wärmestube sichern.
Auch an den Familienstützpunkten und Quartiersmanagements, die wir in den letzten Jahren
etablieren konnten, wird nicht gerüttelt. Sie sind weiterhin zentrale Anlaufstelle in den Stadtteilen,
unterstützen das bürgerschaftliche Engagement und bringen Menschen zusammen. Sozialer
Zusammenhalt ist kein Luxus, sondern Grundvoraussetzung für ein friedliches Miteinander in
unserer Stadt.
Besonders hervorheben möchte ich die Unterstützung des Housing First-Projekts im kommenden
Jahr. Damit gehen wir einen wegweisenden Schritt. Wir setzen uns dafür ein, dass Wohnen
tatsächlich als Menschenrecht verstanden und Obdachlosigkeit langfristig überwunden wird - das
ist nicht nur eine finanziell nachhaltige Entscheidung, sondern vor allem eine menschlich richtige
Entscheidung.
Auch Projekte wie die interkulturelle Frauenarbeit und der Christopher Street Day leisten einen
wichtigen Beitrag für die Vielfalt unserer Stadtgesellschaft.
Kinder und Jugendliche sind unsere Zukunft. Deshalb ist es richtig, dass wir in den Ausbau von
Kitas investieren, Schulen erweitern und weiterhin Jugendarbeit ermöglichen. Das sind
Investitionen, die sich vielfach auszahlen werden, wenn Familien bewusst nach Würzburg ziehen
und gerne hier bleiben.
Kultur
Zu Würzburgs Lebensqualität zählt auch unser reichhaltiges kulturelles Angebot. Auf Mozartfest,
Hafensommer, Stramu, Umsonst & Draußen dürfen wir uns auch im nächsten Jahr wieder freuen.
Wir setzen uns weiter für den Erhalt der Posthalle ein, führen die Ausstellungsgrundvergütung für
bildende Künstler:innen fort und unterstützen die Kulturtafel. Auch das Großprojekt
Multifunktionsarena geht weiter, damit werden wir uns nachher bei der Antragsbehandlung noch
im Detail beschäftigen.
Radverkehr
Besonders freuen wir uns, dass im nächsten Jahr Projekte umgesetzt werden, auf die wir schon
lange hingearbeitet haben: der Fahrradweg auf der Löwenbrücke wird endlich gebaut. Damit wird
diese zentrale Überquerung über den Main vom Angstraum zur sicheren Verbindung zwischen
den beiden Mainseiten. Dieser notwendige Bau, der den Stadtrat schon seit Jahren, wenn nicht
Jahrzehnten, beschäftigt, kann 2026 endlich realisiert werden. Gleiches gilt für das
Fahrradparkhaus am Hauptbahnhof, was schon längst überfällig ist. Mit der Sanierung der
Werner-von-Siemens-Straße wird außerdem die Fahrradverbindung nach und aus Lengfeld
deutlich verbessert. 2026 wird ein gutes Jahr für den Radverkehr in Würzburg!
Klimaschutz und Klimaanpassung
Und auch die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt soll sich spürbar verbessern: wir begrüßen
sehr, dass die Achse zur Residenz mit der Umgestaltung der Hofstraße aufgewertet wird.
Ebenfalls ist die Begrünung und Beschattung des Unteren Markts ein Projekt, das angesichts der
Klimaerhitzung dringend notwendig ist.
Ohnehin ist es in Zeiten der Klimaerhitzung wichtig, in Maßnahmen zu investieren, die unsere
Stadt resilienter machen. Dass wir die energetische Sanierung vorantreiben, den Hitzeaktionsplan
konsequent umsetzen und mehr Grünflächen schaffen. Die Taktverdichtungen der Linien 13 und
29, die wir letztes Jahr beantragt haben, tragen weiter zur Attraktivität unseres ÖPNV bei. Und
indem die städtebaulichen Begleitmaßnahmen für die Straßenbahn ans Hubland berücksichtigt
sind, machen wir klar, dass wir dieses zentrale Infrastrukturprojekt weiterhin aufs Gleis bringen
wollen.
Besonders hervorheben möchte ich auch, dass wir 2026 erstmals eine Stelle schaffen, die sich
dezidiert dem Trinkwasserschutz widmet. Nicht nur die Diskussion um das Bergwerk im Landkreis
zeigt uns ganz deutlich, dass eine verlässliche Versorgung mit Trinkwasser alles andere als
selbstverständlich ist. Umso wichtiger, dass wir die Bedeutung dieses Themas auch im
Stellenplan abbilden.
Gemeinsame Verantwortung
Ich möchte zum Abschluss von den konkreten Projekten etwas abstrahieren und darauf eingehen,
was u.a. auch im Vorfeld in der Presse zu lesen war. Unser interfraktionelles Vorgehen wird
bisweilen damit kritisiert, dass wir auf unser Haushaltsrecht verzichten und in Hinterzimmer-
Manier den Haushalt heute lediglich durchwinken würden.
Solche Vorwürfen weisen wir deutlich zurück!
Erstens: Unser heutiger Beschluss über den Haushalt ist keinesfalls das Ergebnis von
Hinterzimmerabsprachen. Vielmehr haben wir innerhalb der Fraktion, aber auch über Fraktions-
und Parteigrenzen hinweg über Wochen gerungen, mit den Referent:innen und der Kämmerin
gesprochen, den Haushaltsentwurf intensiv durchgearbeitet und diskutiert; immer mit dem Ziel,
das Beste für unsere Stadt zu erreichen. Und es ist doch klar: niemand kann eine haushaltslose
Zeit wollen. Einige Kolleg:innen hier im Rat, auch in unserer Fraktion, haben diese Zeit Anfang der
2000er-Jahre erlebt. Und es ist unsere gemeinsame Verantwortung, so eine Situation zu
verhindern.
Zweitens: Dass wir uns im Stadtrat über so viele Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg geeinigt
haben, ist doch Demokratie par excellence. Obwohl die Kommunalwahl vor der Tür steht,
verzichtet die große Mehrheit im Rat auf parteipolitische Profilierung.
Wer behauptet, der Stadtrat würde den Haushalt einfach durchwinken, verkennt die Situation:
Haushaltsrecht bedeutet, kritisch zu prüfen, was nötig, was wünschenswert und was machbar ist.
Und genau dies haben wir getan. Man kann sicherlich kontrovers darüber diskutieren, ob unser
Vorgehen das richtige ist. Ich kann jedenfalls für meine Fraktion sagen, dass wir uns die
Entscheidung nicht leicht gemacht haben, aber fest dazu stehen. Mit einem blinden
“Durchwinken” hat dies jedenfalls nichts im Geringsten zu tun.
Drittens: Der Haushaltsentwurf bildet bereits viele Beschlüsse ab, die der Stadtrat unterjährig
getroffen hat. Das ist in den letzten Jahren nicht unbedingt der Fall gewesen. Wir hätten uns auch
in der Vergangenheit viele Haushaltsanträge sparen können, wenn der Kämmerer nicht regelmäßig
die Gelder gestrichen hätte für Projekte, die der Stadtrat mit großer Mehrheit oder gar einstimmig
beschlossen hat – ich erinnere nur an das Bürgerhaus Versbach.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die großen Weichenstellungen werden vor Ort vorgenommen, in den Kommunen. Dass Bayerns
Städte und Gemeinden unter einer Unterfinanzierung leiden, ist das Ergebnis jahrzehntelanger
Verschiebung von Aufgaben ohne ausreichende Gegenfinanzierung und somit eine strukturelle
Fehlentwicklung. Das Sondervermögen der Bundesregierung gibt uns zwar etwas
Handlungsspielraum, aber dass Bayern nur 60% der 15,7 Mrd€ an die Kommunen weitergeben
will, ist schlicht nicht akzeptabel. Zumal 80% aller öffentlichen Investitionen in die Infrastruktur
von den Kommunen gestemmt werden, was zeigt, wie gigantisch der Bedarf an finanzieller
Unterstützung durch Bund und Freistaat eigentlich ist. Ohne eine spürbare Anpassung der
Schlüsselzuweisungen, ohne eine gerechte Aufgaben- und Finanzverteilung werden die
Kommunen diese Verantwortung auf Dauer nicht tragen können.
Unsere Kommunen sind das Fundament unserer Demokratie und der Garant für gesellschaftlichen
Zusammenhalt. Ohne eine verlässliche, ausreichende Finanzierung können wir die zentralen
Aufgaben - von Bildung, Infrastruktur, sozialer Teilhabe, Klimaschutz - nicht stemmen. Deshalb
brauchen wir klare Signale aus München und Berlin; die Grünen in Land und Bund sind sicher
bereit, die Regierungsparteien dabei zu unterstützen. Es wäre ja schön, wenn unsere
interfraktionelle Einigkeit in Würzburg auch eine Vorbildfunktion für höhere Ebenen sein könnte.
Wir können jedenfalls für diesen Haushalt überzeugt festhalten: Würzburg bleibt, gerade in
schwierigen Zeiten, eine lebenswerte Stadt. Wir sichern, was unser Zusammenleben stark macht
und investieren in die Zukunft. In diesem Sinne wünsche ich uns allen gute, wenn auch
ungewöhnliche Haushaltsberatungen und hoffe, dass wir uns zwar diese Kultur des Miteinanders
bewahren, aber im nächsten Jahr dennoch wieder zu unserem gewohnten Vorgehen zurückkehren
können.
